Michelin Pilot Road 4 – Fahrbericht

Seit jeher setzt Michelin mit den Reifen der „Pilot Road“-Reihe Maßstäbe im Tourenbereich.
Ein guter Grund, den Pilot Road 4 während meiner Extremtour „Ruhrgebiet-Nordkap-Gibraltar“ auf Herz und Nieren zu prüfen.

Die Rahmenbedingungen sind dabei für den Reifen denkbar ungünstig.
Die Anreise zum Nordkap nutze ich für eine Langstreckenfahrt der „Ironbutt Association“ (IBA): 2.000 Meilen sind dafür in unter 48 Stunden zu fahren (Saddlesore 2000). Das geht nur über Autobahn, soweit eine vorhanden ist, denn auf den letzten 1400 KM meiner 3.400 KM langen Tour existieren nur noch sporadisch Autobahnabschnitte.

Zwei Tage später führt mich meine Reise vom Nordkap nach Gibraltar. Mein Ziel ist es, dies in unter 72 Stunden zu schaffen. Auch dieses Mal werden die Rahmenbedingungen durch eine Fahrt der IBA gesteckt (NG72).

Ruhrgebiet - Nordkap - Gibraltar

Ruhrgebiet – Nordkap – Gibraltar

Ab Gibraltar folgt dann ein zweiwöchiger Sightseeingurlaub mit Sozia bis zum süwestlichsten Ende Kontinentaleuropas, dem Cabo de Sao Vicente und dann an Spaniens Südküste zurück ins Ruhrgebiet, mit einem Abstecher durch die französischen Seealpen.

Dieses Szenario verlangt einem Reifen viel ab, vor allem hohe Autobahnanteile lassen Reifen gerne vorschnell abnutzen, weil sie „eckig“ gefahren sind.

Das Einfahren des Reifens auf der Autobahn erfolgt unspektakulär. Der Pilot Road 4 hält die Deauville trotz Topcase und Gepäckrolle auch bei höheren Geschwindigkeiten sauber auf Spur.  Ab Hamburg kann der Reifen dann das erste mal glänzen: Was sich schon hinter Kassel in Form eines immer schwärzer werdenden Horizonts ankündigte, ergiesst sich nun in Strömen ununterbrochen auf die Autobahn, die Deauville und mich. Die Wettervorhersage hatte so etwas leider angekündigt, aber mein Zeitfenster ließ mir keine andere Wahl. Ich habe nur 48 Stunden bis zum Nordkap, die will ich nicht beim Unterstellen vor dem Regen vertrödeln. Ich reduziere also die Geschwindigkeit und nehme die nasse Herausforderung an. Schnell lerne ich, dem Reifen zu vertrauen: Waren Pilot Road 2 und Pilot Road 3 bei Nässe schon eine sehr gute Wahl, so legt der Pilot Road 4 nochmal an Qualität bei Nässe spürbar zu. Die Bodenhaftung ist phänomenal, auch große Pfützen auf der Autobahn werden weggesteckt, ohne dass sich das ruhige Fahrverhalten ändert. Obwohl der Regen immer stärker wird, kann ich die Geschwindigkeit problemlos Stück für Stück wieder erhöhen. Ich bin froh über meine Reifenwahl, denn jede Minute, die ich beim Fahren länger brauche, verkürzen sich meine Pausenzeiten. Da ist ein guter Regenreifen ein nicht zu unterschätzender Bonus.

Bei der Überquerung des Storebelts und Öresunds erfassen mich heftige Seitenböen, so dass ich, um überhaupt geradeaus zu fahren, die Deauville die ganze Zeit auf nasser Fahrbahn in Schräglage fahren darf. Auf der Storebeltbrücke habe ich teilweise die Möglichkeit, mich im Windschatten eines Güterzuges zu bewegen, das verschafft mir eine kurze Pause vor dem Wind.

Gegen Mitternacht überquere ich die Öresundbrücke, ohne dass es seit Hamburg auch nur einmal zu regnen aufgehört hätte.  Erst hinter Malmö sehe ich wieder trockene Strassen.  Am Samstagmorgen lasse ich Stockholm hinter mir und folge dem bottnischen Meerbusen. Mittags merke ich, wie meine Kräfte und Konzentration schwinden. Nach 2.100 KM lege ich eine 5-stündige Schlafpause ein, bevor ich mich auf meine letzte Etappe zum Nordkap mache.  Bis zum Ziel wird die Sonne nun nicht mehr untergehen. Um ein Uhr nachts tanke ich kurz hinter der finnischen Grenze. Es ist taghell.Trotzdem wird es  jedoch wesentlich kälter.

Zwischen Kautokeino und Lakselv erlebe ich eine böse Überraschung: Die Strasse wird neu gemacht. Umleitungen gibt es nicht. Es gibt ja nicht einmal andere Strassen in dieser Gegend. Also muss ich da durch. Mehrere Kilometer Schotterpiste halten mich auf. Obwohl der Pilot Road 4 hierfür nicht konzipiert wurde, komme ich mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit (die aber in erster Linie meiner mangelnden Offroaderfahrung zuzuschreiben ist) ohne größere Problem über diese Passage. Erst in Lakselv fällt mir auf, dass das Gerüttel auf dieser Schotterpiste dazu geführt hat, dass ich eine Mutter meiner Kamerahalterung unterwegs verloren habe und die andere sich schon gefährlich weit losgerüttelt hat. Kabelbinder lösen dieses Problem kurzfristig. Mir geht der Gedanke durch den Kopf, dass diese Piste wohl doch nicht so ohne war.

Ab Lakselv fahre ich den Porsangerfjord bei schönstem Wetter gen Nordkap. Langgezogene Kurven führen mich am Wasser entlang und lassen mich die Landschaft geniessen. Habe ich den Reifen bereits eckig gefahren auf dem Weg hierher? Immerhin bin ich umgerechnet bereits 3 mal die Strecke Ruhrgebiet bis zu den Alpen gefahren, die viele auf eigener Achse mit der Begründung scheuen, sie bräuchten dann vor Ort bereits neue Reifen. Je nördlicher ich komme, desto kurviger wird die Strecke, aber nirgendwo habe ich das Gefühl eines eckig gefahrenen Reifens. Dieser Eindruck ändert sich bis zum Nordkapp, welches ich nach 46,5 Stunden erreiche nicht. An der Tankstelle in Hönnigsvag überprüfe ich den Luftdruck. Die 0,2 bar Unterschied zur Abreise schiebe ich auf die Temperaturunterschiede zwischen Ruhrgebiet und Nordkap.

Nach 3.400 KM sieht der Reifen noch fast wie neu aus .

Nach 3.400 KM sieht der Reifen noch fast wie neu aus .

3.400 KM  hat der Satz Reifen nun absolviert und er sieht noch fast wie neu aus. Das Wetter am Nordkap ändert sich binnen kürzester Zeit. Grad fahre ich in strahlendem Sonnenschein, ein paar Meter weiter ziehen dichte Nebelschwaden über das Land und die Strasse wird feucht. Der Pilot Road 4 lässt sich davon nichts anmerken. Um überhaupt eine Änderung der Griffigkeit dieses Reifens hervorzurufen muss schon deutlich mehr Wasser auf der Strasse sein.

Nach 2 Tagen Nordkap beginnt die größte Herausforderung dieser Reise: Nordkap – Gibraltar in unter 72 Stunden (IBA NG72). Da dieses Unterfangen selbst aus dem Blickwinkel der Ironbutt Association eine Extremtour darstellt, darf sich nicht jeder Motorradfahrer auf dieses Wagnis begeben (zumindest nicht im Rahmen der IBA): Als Zulassungsvoraussetzung gilt ein erfolgreich absolvierter und zertifizierter „SaddleSore 2000“ (SS2000). Den habe ich auf dem Hinweg bestanden und dank Internet (gibt es auch am Nordkap) ist er bereits kurz vor der Abfahrt zertifiziert. Von den ursprünglich 23 für diese Fahrt angemeldeten Fahrern, sind lediglich zehn Richtung Nordkap aufgebrochen. Einen Fahrer hat ein Maschinenschaden aus dem Rennen geworfen, so dass wir zu neunt sind, die sich in spätestens 72 Stunden in Gibraltar treffen wollen.

Nordkap 71° 10 ' 21''

Nordkap 71° 10 ‚ 21“

Um 11 Uhr öffnet der Nordkapshop und die Uhrzeit auf dem Kassenzettel gitl als Startzeit. Je nach gewählter Route beträgt die zu bewältigende Distanz zwischen 5.500 und 5.700 KM. Ich wähle meine Route möglichst kurz, da Tankstopps unliebsame Zeitfresser sind und der Tankinhalt der Deauville im Vergleich zu den anderen Motorrädern im Feld mit 19 Litern eher gering ausfällt. Bis ins Ruhrgebiet ist meine Route fast mit der Hinreise identisch. Ich fahre über Alta, um die Schotterpiste zwischen Lakselv und Kautokeino zu vermeiden. Und wie bereits auf der Hinfahrt, meint es das Wetter alles andere als gut mit mir: Zwischen Bjästa und Jönköping bin ich auf über 800 KM dauernd dem Regen ausgesetzt. Und wieder helfen mir die hervorragenden Nasseigenschaften des Michelin Pilot Road 4, meinem Zeitplan nicht allzuweit hinterherzufahren. Statt Öresund- und Storebeltbrücke wähle ich die Fähren Helsingborg – Helsingör und Rödby – Puttgarden . Das erspart mir über 230 KM und einen weiteren Tankstop. Nach 32 Stunden erreiche ich das Ruhrgebiet, wo ich mir sechs Stunden Pause (Essen, Schlaf und Dusche) gönne. Hier entledige ich mich auch einiger Gepäckstücke in der Hoffnung, meinen Durchschnittsverbrauch zu senken und so vielleicht noch einen Tankstop zu sparen.

Mitten in der Nacht geht es weiter. Ich möchte so früh wie möglich durch Paris durchkommen, aber leider erwische ich prompt den Berufsverkehr um 7 Uhr. Mit französischer Fahrweise (ab durch die Mitte) brauche ich für Paris trotzdem lediglich eine Stunde. Je weiter ich nach Süden komme, desto besser wird das Wetter. Das tut nach den ganzen Regenfahrten der letzten Tage gut. Gegen 18 Uhr erreiche ich Spanien. Mit der Dunkelheit kommen auch Gewitter. Ich rechne jede Minute mit einsetzendem Regen, aber irgendwie schaffe ich es, dass lediglich heftige Blitze in der weiten Landschaft meine Fahrt begleiten, ich dem Regen aber entkomme. Auf dieser Fahrt habe ich für meinen Geschmack auch bereits genug Wasser abbekommen. Zumal ich nun auch merke, wie die Anstrengungen ihren Tribut zu fordern beginnen.

Reichte zu Beginn der Reise eine kleine Erholungspause bei jedem zweiten Tankstop, so lege ich nun eine kleine zusätzliche Pause zwischen zwei Tankstops ein. Die aufgehende Sonne gibt mir wieder neue Stärke für das letzte Stück und um zehn Uhr morgens erreiche ich nach Überquerung des Flughafenrollfeldes die erste Tankstelle auf der Halbinsel Gibraltar.

9.500 KM Laufleistung - einmal quer durch Europa

9.500 KM Laufleistung – einmal quer durch Europa

71 Stunden nach meiner Abfahrt am anderen Ende Europas und fast 5.600 KM später habe ich die Tour Nordkap – Gibraltar geschafft. Der Michelin Pilot Road 4 zeigt nach nun ingesamt 9.500 KM leichte Abnutzungserscheinungen.

Die nächsten 14 Tag verbringe ich  im Süden Spaniens und Portugals. Kurvige Abschnitte an der Küste wechseln sich mit bergigen Passstrassen ab. Der Pilot Road 4 ist hier in seinem Element. Mühelos lässt er sich in die Kurve legen, beinahe von alleine folgt er der Blickführung. Sozia und zusätzliches Gepäck verändern die Eigenschaften des Reifens kaum. Ich kann einen Großteil meiner Aufmerksamkeit der Landschaft widmen, alles was die Strasse betrifft, macht der Reifen fast von alleine.

Upper Rock Nature Reserve - Gibraltar

Upper Rock Nature Reserve – Gibraltar

Mittlerweile schrecken mich auch Schotterpassagen in Baustellen nicht mehr, auch nicht mit Sozia und vollbeladen. Die Höhen der Sierra Nevada beenden den Ausflug nach Andalusien. Über die Autobahn geht es dann wieder Richtung Norden um in Blanes noch zwei Strandtage einzulegen. Auf einer gemütlichen Liege am Strand von Blanes stellen wir fest, dass die französichen Seealpen ganz in der Nähe liegen, zumindest wenn man in den Dimensionen des Michelin Pilot Road 4 denkt. Die Verdonschlucht (Gorges du Verdon) müssen wir unbedingt noch mit unter die Räder nehmen. Und wo wir schon mal da sind, hängen wir kurzentschlossen noch einen Tag mehr an unseren Urlaub vor Ort dran um mit dem Cime de la Bonette (2.802) die höchste asphaltierte Passstrasse der Alpen zu befahren.Die Rückreise erfolgt deshalb völlig unspektakulär über 900 KM Autobahn, davon 400 KM im Dauerregen. Die Reifen haben mittlerweile 15.000 KM hinter sich, aber das Fahrverhalten ist immer noch hervorragend, gerade bei Regen. Auch der TÜV hat keinerlei Bedenken, mir mit diesen Reifen eine neue Plakette für die nächsten zwei Jahre zu geben.

Das Profil sieht immer noch gut aus und so beschliesse ich, mit diesem Satz Reifen auch noch meine Karpatentour zu fahren. Ich folge dem Karpatenbogen durch die Tschechische Republik, Slowakei, Polen und Ungarn bis nach Rumänien. Das Ziel ist Constanta am Schwarzen Meer. Auf dem Rückweg sind die Transalpina und Transfagarasan ein Muss.

24.000 KM Laufleistung

24.000 KM Laufleistung

Nach 24.000 KM (!) ist der Hinterreifen dann am Ende seiner Lebensdauer angelangt.

Selbstredend wird nach diesen guten Erfahrungen der gleiche Reifen erneut aufgezogen.

Der Vorderreifen hat immer noch ausreichend Profil und bedarf keiner Erneuerung.Dieser begleitet mich auf viele weitere Touren und ist im März 2016 auf der Messe Motorräder Dortmund nach nun 39.000 KM immer noch auf meiner ausgestellten Honda Deauville montiert und zu besichtigen.

 

Nach weiteren 6.000 KM und über 45.000 (!) KM Laufleistung wird dann aber auch der Vorderreifen  gegen einen neuen Pilot Road 4 ausgetauscht.

 

Fazit:

Dieser Satz Michelin Pilot Road 4 Reifen hat jedes Europa umschliessende Meer gesehen. Der Vorderreifen hat vergleichsweise sogar einmal eine Weltumrundung geschafft.

Mit keinem anderen Reifen habe ich auch nur annähernd diese Laufleistungen jemals erreicht. Doch es sind nicht nur die Langlebigkeit, die diesen Reifen auszeichnet, es ist die Kombination aus Langlebigkeit und Fahrverhalten. Egal ob bei Nässe, Kälte, gut ausgebauten Autobahnen oder grenzwertigen Passstrassen in Süd- und Osteuropa. Dieser Reifen macht alles hervorragend mit und ist für den Onroad-Tourer eine sehr gute Wahl.

Die Testbedingungen:

Der Reifen wurde in meinem ganz normalen, autofreien Alltag eingesetzt. Also quasi täglich. Autobahn, Landstrasse, Solofahrten, Fahrten mit Sozia sowie Fahrten mit voller Beladung gehören dazu. Der Wocheneinkauf wird mit der Deauville genau so erledigt, wie die Urlaubsfahrt ans Schwarze Meer. Die Fahrweise ist gestzeskonform, aber selten langsamer.

Das Testfahrzeug ist eine Honda Deauville mit 56 PS bei 248 KG Leergewicht. Honda nennt das einen Mittelklassetourer. Beschleunigungsorgien und Rennstreckentrainings gehören also nicht zu meinen täglichen Übungen. Aber bis 180 km/h läuft die Deauville ganz gut mit. Montiert war der Pilot Road 4 in den Größen 120/70 ZR17 und 150/70 ZR17.

 

erstellt: 19.05.2016